Wirtschaftsstandort Neuss – Bereit für die Zukunft?
Neben Klaus Burmeister, Dr. Rainer Bovelet und Alexander Gaubatz nahmen Prof. Dr. Rüdiger Hamm vom Niederrhein Institut für Regional- und Strukturforschung, Jürgen Steinmetz von der IHK-Mittlerer Niederrhein, Dr. Jörg Weingarten vom Deutschen Gewerkschaftsbund sowie Andreas Galland von der Wirtschaftsförderung Neuss an der ersten Diskussionsrunde des Zukunftskongresses teil.
Die Neusser Wirtschaft entwickle sich trotz der Krisen seit 2019 positiv, schätzte Jürgen Steinmetz die aktuelle Situation ein. Es gelte jedoch, sich nicht darauf auszuruhen, sondern zu evaluieren, wo die Stärken der Neusser Wirtschaft lägen, diese weiter zu stärken und Schwächen so gut es geht abzumildern. Betont werden müsse zudem auch, so der Geschäftsführer der IHK, dass nicht alle Einflussgrößen auf die wirtschaftliche Entwicklung lokal bestimmt werden könnten. Gerade die rahmengebende Infrastruktur sowie das Planungsund Genehmigungsrecht und damit einhergehende Verfahrensschritte unterlägen der nationalen Gesetzgebung. Anders sehe dies jedoch bei der Bereitstellung von Flächenverfügbarkeiten aus. Neuss brauche einen „Masterplan Industrie“, der sowohl der Stadt als auch den Unternehmen als Leitplanke und Orientierungshilfe diene.
Einen Perspektivwechsel, vor allem in Bezug auf die sich stark verändernde Industrielandschaft, fordert Dr. Jörg Weingarten: „Was wir brauchen sind gute Einstiegsszenarien, die aufzeigen, wie innovative Prozesse angestoßen werden können und weniger die Erzählung vom Ausstieg oder Abschied der alten Industrie. In regionalen Transformationsnetzwerken könnten diese Einstiegsszenarien auf Augenhöhe mit den relevanten Akteur*innen entworfen und in den Transformationsprozess implementiert werden.
Damit ein breiter Dialog zur zukünftigen Ausrichtung der Wirtschaft in Neuss zustande komme, müsse sich die Stadtgesellschaft, die Politik und die Verwaltung klar zur Industrie bekennen, forderte Andreas Galland. „Wir sollten uns freuen, wenn es im Neusser Hafen knattert und stinkt.“
Auf die Ergebnisse der Analyse bezog sich auch Dr. Rainer Bovelet und betonte, dass vor allem die kleinräumige Betrachtung ein feinfühliges Werkzeug zur wirtschaftlichen Entwicklung in den Mikrolagen sei. Soziale Ungleichheiten, die durch den Transformationsprozess ausgelöst würden, könnten dadurch sichtbar gemacht und daraus Handlungsoptionen entwickelt werden. Prof. Dr. Rüdiger Hamm ergänzte, dass gerade die gesellschaftlichen Auswirkungen der Transformation einer genauen Betrachtung bedürfen. Ein Blick nach Gelsenkirchen sei lohnend. Dort habe man ein Monitoringsystem etabliert, welches die Entwicklungen der Stadt im Sinne der drei Nachhaltigkeitsdimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales betrachte und das städtische Handeln daran ausrichte. Daran anknüpfend griff Herr Weingarten vom DGB die Arbeitsmarktstatistik der Stadt Neuss auf. Diese sähe zwar gut aus, es müsse jedoch die Frage gestellt werden, welche „Qualität und Leistungen die angebotenen Arbeitsplätze aufweisen.“ Gerade in der Logistik würden Arbeitsverträge geschlossen, die keiner Tarifbindung mehr unterlägen und teils prekäre Arbeitsverhältnisse nach sich zögen.
Die Frage, ob Neuss ein attraktiver Standort für junge Unternehmen und Start-Ups sei, beantwortete Herr Galland mit einem „Ja“, betonte jedoch, dass die Stadt auch „herkömmliche Unternehmensgründungen außerhalb der Start-Up Wirtschaft“ weiterhin stark unterstütze. Ziel der Wirtschaftsförderung sei es, alle Gründer*innen auf ihrem Werdegang und über einen langen Zeitraum hinweg zu begleiten. Der Lokalfaktor kleinerer Städte sei attraktiv für junge Unternehmen, stimmte Steinmetz zu. Dadurch, dass man sich vom Wochenmarkt oder Veranstaltungen kenne, entstünde ein viel engerer Austausch und kürzere Wege als in den großen Metropolen Düsseldorf und Köln, in denen es häufig „anonymer zugehe“.
Abschließend gefragt, welchen Rat die Experten der Stadt Neuss mitgeben möchten, betonte Herr Gaubatz die Wichtigkeit einer attraktiven Innenstadt sowie eine Stärkung des Einzelhandels. Herr Hamm wies zudem darauf hin, dass bei der Digitalisierung die ältere Generation mitgedacht werden müsse. „Anwendungsbarrieren und Ängste abbauen und den Nutzen für die Bevölkerung heraus(zu)stellen“ seien wichtige Voraussetzungen für den Fortgang der Digitalisierung.
Die wirtschaftliche Stärke der Stadt Neuss liege an einem breiten Branchenmix. Diesen gelte es weiter zu fördern, resümierte Herr Steinmetz und regte eine verstärkte Diskussion über die Chancen des Strukturwandels im Rheinischen Braunkohlerevier an.
Die Transformation als Chance sehen, alle mitnehmen und eine positive Vision der Zukunft auf allen Ebenen vermitteln und verankern, das gab Dr. Rainer Bovelet der Stadt Neuss mit, denn „nur gemeinsam sind wir stark.“