Fachkräftemangel? Abschied von der Präsenzkultur? – Wo geht die Reise hin?
Das Themenfeld „Fachkräftemangel? Abschied von der Präsenzkultur?“ wurde durch einen Input von Prof. Dr. Gottfried Richenhagen vom FOM Hochschulzentrum Neuss eröffnet. Das Thema Fachkräftemangel sieht der Experte für Personalmanagement als ein allgemeines strukturelles Problem unserer Gesellschaft. Aufgrund von fehlender Flexibilität und Zusammenarbeit der relevanten Handlungsträger konnten in den letzten Jahren keine konkreten Lösungsansätze geschaffen werden, um dieses Problem effektiv zu bekämpfen. Generell, so auch für die Stadt Neuss, prognostizierte Richenhagen neben dem Fachkräftemangel zudem einen schwierig zu deckenden Bedarf an Hilfsarbeitenden, welcher bei der Diskussion um den Fachkräftemangel oftmals ignoriert würde.
Bezogen auf das Thema Homeoffice erkannte Prof. Dr. Richenhagen mehrere, sich teilweise entgegenstehende Trends. Einerseits sei, vor allem aufgrund der Corona-Pandemie und sich allgemein ändernden Anforderungen an die Arbeitswelt, die Nachfrage und der Anteil an Homeoffice-Arbeit erheblich gestiegen. Andererseits gäbe es aktuell auch wieder viele Trendbewegungen zurück zur mehr Präsenzarbeit. Laut Prof. Dr. Richenhagen sei zudem das Homeoffice-Potential selbst zu Lockdownzeiten in Deutschland nie vollkommen ausgeschöpft worden.
Nach der Einschätzung gefragt, wie die Workshopteilnehmer*innen zukünftig den Anteil des Homeoffice an der Gesamtarbeitszeit sähen, ließ sich ein klarer Trend erkennen: zunehmend.
Wo steht Neuss derzeit in Bezug auf die sich wandelnde Arbeitswelt – insbesondere den Fachkräftemangel und die Präsenzkultur?
In den Gesprächen innerhalb des Workshops zeigte sich, dass das von Prof. Dr. Richenhagen angesprochene Problem des Fachkräftemangels nicht nur auf nationalen Ebene sondern, auch im lokalen Kontext der Stadt Neuss wiederzufinden sei. Die Teilnehmenden beklagten vor allem einen Mangel an Fachkräften in der Industrie, im Handwerk und in etwas abgeschwächter Form auch in der Verwaltung. Konkret wurde für Neuss ein Bedarf an Fachkräften im Ingenieurwesen, im Erziehungswesen sowie bei der Feuerwehr beklagt. Als Gründe für diese Probleme wurde neben der Gesamtzahl der zur Verfügung stehenden Personen im erwerbstätigen Alter unter anderem das schlechte Image von Ausbildungsberufen, vor allem im Bereich Handwerk und der Produktion genannt. Besonders in den Gymnasien sei zu erkennen, wie stark das Interesse an einer Ausbildung in den letzten Jahren gesunken sei. Eine hohe Abbruchquote bei Studierenden sowie lange Studienzeiten seien ebenso Teil des Gesamtproblems.
Bezogen auf das Thema Homeoffice wurden in den Diskussionsrunden vor allem generelle, nicht unbedingt Neuss-spezifische, Vor- und Nachteile besprochen. Die in Neuss arbeitenden Teilnehmenden berichteten jedoch einstimmig über einen starken Anstieg der Homeoffice-Zeit an der Gesamtarbeitszeit. Hierbei wurden die hohe Flexibilität und eine potenziell bessere Work-Life Balance als positiv angesehen. Kritisch hinterfragt wurden die Produktivität, der fehlende Austausch zwischen Mitarbeitenden sowie in einigen Fällen die Eignung der räumlichen Gegebenheiten für das Homeoffice.
Was muss getan werden, um den Wandel der Arbeitswelt – insbesondere den Fachkräftemangel und die Präsenzkultur – positiv zu gestalten?
Zum Umgang mit dem Fachkräftemangel diskutierten die Teilnehmenden ausführlich über eine Umgestaltung des Ausbildungssystems. Modulare Ausbildungen, Teilausbildungen oder andere flexible Systeme könnten zur Erhöhung der Anzahl an Fachkräften beitragen. Auf diese Problematik habe die Stadt Neuss nur wenig Einfluss, könne jedoch dazu beitragen, eine solche Debatte auf übergeordneter Ebene anzustoßen. Die Verbesserung des Images von Ausbildung und Handwerk hingegen ist auch auf lokaler Ebene möglich. Technische und handwerkliche Berufe sollten auf lokaler Ebene besser vermarktet werden. Kommunale Branding-Strategien könnten, anstelle von isoliertem Employer-Branding, zu einer Verminderung des Fachkräftemangels in Neuss beitragen. Durch eine verbesserte Abstimmung zwischen verschiedenen Handlungsträgern (Kommune, Schule, Arbeitgebende) ließe sich zudem Übergang zwischen Schulzeit und Arbeitsleben effektiver gestalten, z. B. durch die Förderung von Praktika.
In Bezug auf das Thema des Fachkräftemangels wurde zudem von einigen Teilnehmer*innen auch die Qualität der Arbeitgebenden kritisch hinterfragt. Diese spiele eine zentrale Rolle bei der Anziehung von Fachkräften. Hierbei sei gerade das Thema Homeoffice zentral, da für viele Arbeitnehmende ein Arbeitsplatz ohne diese Möglichkeit unattraktiv sei. Neusser Unternehmen müssten sich an diese wandelnden Anforderungen anpassen, um auf dem Markt weiterhin attraktiv zu bleiben. Zudem wurde angesprochen, dass auf Bundesebene die Zuwanderung von potenziellen Arbeitskräften erleichtert und bürokratische Hürden abgebaut werden müssten.