Ende des Flächenfraßes – und nun? Wie kann Neuss seine Wirtschaftskraft erhalten
Gewerbeflächen werden in Neuss stark nachgefragt. Die verfügbaren Flächen im Stadtgebiet sind jedoch nahezu erschöpft.
Daher setzten sich die Teilnehmer*innen des Workshops „Ende des Flächenfraßes – und nun?“ mit Lösungswegen und vorschlägen auseinander, wie die zukünftigen Bedarfe unter der Prämisse des Flächensparens und -recyclings gedeckt werden könnten. In seinem Input zeigte Dipl. Ing. Hans Werner Bonny, Gründer des Planungsbüros Planquadrat aus Dortmund, dass die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Neuss verglichen mit dem Rhein-Kreis Neuss und NRW positiv zu bewerten sei. Vor allem im verarbeitenden Gewerbe zeigten sich positive Entwicklungstendenzen, die in Teilen eine Vergrößerung der Betriebsflächen nach sich zögen.
Problematisch sei, dass der Mietmarkt der Gewerbeflächen und Objekte nur schwer zu erfassen sei. Dies sei jedoch wichtig für die Gewerbeflächenpolitik, da sich hieraus Flächenpotentiale entwickeln könnten. Zudem zeige sich auch in Neuss ein Trend, der in vielen Städten zu beobachten sei: Seit 2000, das zeige die Abbruchstatistik, so der Raumplaner, würden mehr Nutzflächen aufgegeben bzw. abgebrochen als neu erstellt. Lediglich ein knappes Drittel würde wieder für gewerbliche Vorhaben genutzt, da jede andere Nutzung wirtschaftlicher für Grundstückseingentümer*innen sei. Auf diesem Weg gehe kontinuierlich Gewerbefläche verloren, so Bonny.
Neben Möglichkeiten der Produktionsprozessoptimierung, die den Flächenverbrauch reduziere, seien Gewerbehöfe, ein konsequenteres Ausnutzen bauleitplanerischer Mittel sowie die Flächenvermietung im Erbpachtverhältnis sinnvolle Ansätze einer nachhaltigen Gewerbeflächenstrategie. „Es gibt keinen Zauberspruch und kein Patent zur Bedarfsdeckung“, resümierte Bonny. Es sei wichtig, dass sich Unternehmen, die Kommune mit der Wirtschaftsförderung und die Gesellschaft darauf verständigten, Gewerbegebiete zu schützen und zu pflegen.
Wo steht Neuss derzeit in Bezug auf den Bedarf und die Verfügbarkeit von Gewerbeflächen?
Auch die Workshopteilnehmenden sahen die Problematiken der Gewerbeflächenbedarfe in Neuss. Vor allem für das verarbeitende Gewerbe gelte es Maßnahmen zu entwickeln, wie zukünftige Bedarfe gedeckt werden könnten.
Die Neuaufstellung des Flächennutzungsplanes 2021 wurde als wichtiger Schritt angesehen, die Abwägung der Interessen zwischen den beteiligten Stellen gestaltete sich jedoch in der Rückschau als schwierig. Überregulierungstendenzen sowie eine skeptische Haltung des Regionalrates gegenüber der Neuausweisung von geeigneten Flächen hätten die Gewerbeflächendefizite teils zusätzlich verstärkt, so ein Workshopteilnehmer.
Ein weiterer hemmender Faktor seien zudem rechtliche Beschränkungen durch Vorgaben im BauGB sowie der TA-Lärm, die flächensparenden Ansätzen teils im Wege stünden und auf lokaler Ebene nur schwierig zu umgehen seien.
Wie soll der Gewerbeflächenbedarf in Neuss zukünftig gedeckt werden?
Brachgefallene Gewerbeflächen gänzlich zur Wohnbauflächen umzuwidmen und so die Flächensituation in Neuss weiter zu verschärfen, gelte es zu verhindern, darüber waren sich die Teilnehmer*innen des Workshops einig. Zukünftig müsse der Flächenbedarf zudem vertikal gedacht werden: gerade in der vertikalen Produktion sahen die Diskutanten einen wichtigen Lösungsansatz. Mit Vorzeigeprojekten und Experimentierfabriken könnten Neusser Unternehmen Projekte mit Strahlkraft für die Branche umsetzen. Zudem wurde die Idee ins Spiel gebracht, die Wasserflächen im Neusser Hafen mit schwimmenden Fabriken in eine Flächenstrategie zu integrieren. Ein stärkerer Fokus auf Mischnutzung mit dem Ziel, urbane Produktion und weitere Nutzungen zusammenzudenken, trüge ebenfalls zur Flächenreduktion bei gleichzeitigem Flächengewinn bei.
Alle diese Lösungen können, so die Einschätzung von Teilnehmenden der Diskussion, die Problematik der fehlenden Gewerbeflächen nur abschwächen. Trotzdem seien Flächenneuausweisungen unumgänglich.
Kontrovers diskutierten die Teilnehmer*innen über das Thema Erbpacht. Zwar seien die Vorteile des Erbpachtverhältnisses nachvollziehbar, jedoch könnten die rechtlichen Folgen auch zu Investitions- und Ansiedlungshemmnissen führen, weshalb eher die Möglichkeit der Flächenvermietung aufgegriffen werden solle.
Unternehmen, die Verwaltung und die Bürger*innenschaft müssten, so der Tenor der Teilnehmenden, gerade was die Gewerbeflächenakquirierung angehe, auf Augenhöhe miteinander ins Gespräch kommen, möglicherweise auch unpopuläre Entscheidungen treffen, vor allem aber innovative und „in die vertikale gedachte“ Konzepte initiieren.